Archiv des Stadt- und Industriemuseums Guben

Begegnung enger Unbekannter

Deutsch-polnisches Projekt: "Begegnung enger Unbekannter"

3. Juni 2009

Die Gäste in der „Alten Färberei“ waren beeindruckt aber zugleich auch sehr berührt von dem Film über die damaligen Erlebnisse der Gubinerin.
Die Stellvertretende Gubiner Bürgermeisterin Justyna Karpisiak (2. v. links) dankte Leokadia Firlej (links) wie auch die Museumsleiterin Heike Rochlitz (rechts).

„Die Vergangenheit verarbeiten, um in die Zukunft zu blicken“
6. Veranstaltung im Projekt „Begegnung enger Unbekannter“ – diesmal in Guben

Am 3. Juni öffneten sich die Türen der „Alten Färberei“ am Friedrich-Wilke-Platz für die Gubinerin Leokadia Firlej sowie für rund 60 deutsche und polnische Gäste, die ihrer bewegenden Geschichte folgen wollten. Neben Harry Kepsch, Jerzy Czabator, Klaus Bramburger, Günter Quiel und Joachim Klos gehört sie zu denjenigen Zeitzeugen, die im Rahmen des internationalen Projektes unter dem Titel: „Begegnung enger Unbekannter“ – ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Gubener Stadt- und Industriemuseum, dem Gubiner Kulturhaus, der Gubiner Kunstgalerie „Rathaus“ sowie Vereinen der Partnerstadt - von den Massenumsiedlungen während des Zweiten Weltkrieges berichten.
Dabei sollte nicht nur das historische Wissen helfen, Vorurteile zwischen Polen und Deutschen abzubauen, sondern vielmehr sind es die berührenden und authentischen Geschichten der Zeitzeugen, die vermitteln sollen. In ihrem Film berichtete Leokadia Firlej davon, wie sie als junges Mädchen nur knapp einen Überfall ukrainischer Truppen auf ihr Heimatdorf Sadowa überlebt hat. „Wir baten den Herrgott, dass, wenn sie uns ermorden, sie uns nicht quälen werden“, erinnerte sie sich. Anders als fast 97 Prozent der Bewohner Sadowas hatte sie Glück im Unglück und kam mit einer Schussverletzung am Bein davon. An jenem Tag begann für Leokadia Firlej und dem übriggebliebenem Teil ihrer Familie die Flucht.
Als der Krieg vorüber war, bekam sie die Chance, eine Schule zu besuchen und lernte ihren späteren Ehemann kennen. Mit ihm ging sie schließlich nach Gubin. „Meine Mutter ermahnte mich stets, wieder nach Hause zu kommen, denn sie meinte die Deutschen kämen zurück und würden uns töten“, so Leokadia Firlej. Dennoch blieb sie mit ihrem Mann in der Grenzstadt und arrangierte sich mit ihrem neuen Leben. Ihr Mann arbeitete im Gubiner Kulturhaus und somit gab es schon damals beständige Beziehungen zwischen Polen und Deutschen. Da die Reisefreiheit damals sehr beschränkt wurde, bestand ein reges Interesse für die jeweils andere Seite des Grenzflusses. Trotz der Warnungen ihrer Mutter resümierte Leokadia Firlej:  „Man blickte nicht mehr in die Vergangenheit, sondern nur noch in die Zukunft“.
Die Stellvertreterin des Gubiner Bürgermeisters Justyna Karpisiak war beeindruckt von der liebenswürdigen Ausstrahlung Leokadia Firlejs und freute sich sehr über die Gelegenheit, dieser Veranstaltung beizuwohnen: „Wir wissen dadurch, was wir vermeiden müssen, damit sich so etwas in der Zukunft nicht wiederholt“, so Justyna Karpisiak.  Museumsleiterin Heike Rochlitz hielt die Begrüßungsrede und bedanke sich mit einem bunten Blumenstrauß – auch im Namen des Gubener Bürgermeisters Herrn Klaus-Dieter Hübner – bei Leokadia Firlej für das Vortragen ihrer persönlichen Geschichte. Weiterhin dankten der sympathischen Gubinerin darüber hinaus die Freunde des Gubiner Heimat- und auch Kulturvereines. Die Moderation am internationalen Abend übernahmen der Gubiner Kulturhausleiter Janusz Gajda und der Leiter der Gubiner Kunstgalerie „Rathaus“ Waldemar Pawlikowski. In einer anschließenden Diskussions- und Fragerunde wurden offene Fragen geklärt. Ein Gitarrenkonzert des Kulturhausleiters, ein liebevoll vorbereitetes Büffet sowie nette Gespräche zwischen Deutschen und Polen ließen diesen sehr gelungenen Abend ausklingen. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen Helfern und auch Organisatoren, die diesem Projekt zum Erfolg verhalfen.
Das Projekt „Begegnung enger Unbekannter“ findet nach einem halben Jahr seinen Abschluss am Sonntag, 21. Juni um 16 Uhr im Veranstaltungssaal des Gubiner Kulturhauses, ulica Westernplatte 14.

Alle Interessierten sind recht herzlich zum Finale im Projekt eingeladen. Der Eintritt ist frei.

Doch damit geht nicht der Verständigungsprozess zwischen Polen und Deutschen zu Ende. Als Bewohner der gemeinsamen Eurostadt Guben-Gubin sollte jeder die Chance nutzen, seine Mitbürger auf der anderen Seite der Neiße  besser kennenzulernen.

Kristin Böhmer – Schülerin des Gubener Pestalozzi-Gymnasiums und Diana Wronska